Am 15. August 2012 erschien der lange erwartete "Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser, Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder" (kurz: Lagebericht).
Der Lagebericht bietet eine umfassende und aussagekräftige Bestandsaufnahme zur Situation der Frauenhäuser, auch wenn sich – zum Teil wegen chronischer Überlastung - nicht alle Frauenhäuser an der Umfrage beteiligen konnten.
Die Lage der Frauenhäuser ist – bis auf wenige Ausnahmen – nach wie vor katastrophal.
Dazu möchten wir zunächst einige Kernaussagen aus dem Lagebericht zitieren:
- „Die Inanspruchnahme des Unterstützungsangebots ist kontinuierlich hoch..“ (Bundestagsdrucksache 17/10500, S, 190)
- „Es gibt regionale Versorgungsprobleme.“ (ebd. S. 191)
- „Die Unterstützungsangebote.. sind nicht für alle Betroffenen gleichermaßen zugänglich“ (ebd.S.190)
- „Das Unterstützungsangebot ist mehrheitlich unterfinanziert.“ (ebd. S.193)
- „Die Finanzierung der Einrichtungen ist uneinheitlich, abhängig von der Politik auf Landesebene und in den Städten und Landkreisen.“ (ebd. S. 194)
- „Alle Frauenhäuser nehmen Kinder und Jugendliche auf, die Ressourcen reichen jedoch oft nicht aus, um dem spezifischen Unterstützungsbedarf der Mädchen und Jungen in dieser Situation gerecht zu werden“ (ebd. S. 192) und nicht zuletzt
- „Eine Lösung der Finanzierung, eine Erweiterung der Zugangs-möglichkeiten, eine Verbesserung der personellen Ausstattung und eine offensive, gesellschaftsweite Öffentlichkeitsarbeit sind Elemente einer Politik, die geeignet ist, den Unterstützungsbedarf zu decken.“ (ebd. S.197)
Konkret bedeutet dies:
- Jährlich konnten fast 9000 Frauen und ihre Kinder hauptsächlich wegen Überfüllung (7000 Frauen), teilweise auch aus anderen Gründen (fehlende Barrierefreiheit und andere Zugangshindernisse, Auflagen der Geldgeber, Finanzierungsprobleme etc.) nicht im Frauenhaus ihrer Wahl aufgenommen werden. Zitat aus dem Bericht: „Für Frauenhäuser kommt dazu, dass sowohl ein Warten auf einen Platz/ein Bett als auch eine Weiterverweisung an ein anderes, entfernter gelegenes Frauenhaus, in dem Plätze frei sind, eine akute Gefährdung Schutz suchender Frauen bedeuten kann.“
- Es fehlt nicht nur an schnellem und unbürokratischem Zugang zu Schutz und Hilfe, sondern auch die Unterstützung der Frauen lässt sich nur durch „ein hohes Maß an Selbstausbeutung“ (Zitat) der Frauenhausmitarbeiterinnen aufrechterhalten. Dazu kommt: „Die grundsätzlich fehlende Absicherung der Einrichtung bedeutet … mehrheitlich eine Bezahlung, die über lange Zeiten nicht tarifgerecht ist…Dieser Zustand ist kein vorübergehender, sondern ein seit Jahrzehnten chronischer. Es stellt sich die Frage, ob die Einrichtungen in dieser Situation in der Lage sind, Angebote so weiterzuentwickeln und Zugangsschwellen so zu senken, …wie es z. B. die Umsetzung der Behindertenkonvention erfordert.“ (Zitat)
- Dass die Bundesregierung keinen bundesgesetzlichen Regelungsbedarf sieht, ist angesichts des Lageberichtes völlig unverständlich. Gegenwärtig sind in Deutschland Art und Qualität des Schutzes für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder außerordentlich unterschiedlich und unter anderem abhängig davon, in welchem Bundesland gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder leben und in welchem Landkreis bzw. welcher Stadt sie leben. Hier muss der Gesetzgeber zum Schutz der gewaltbetroffenen Frauen und ihrer Kinder dringend eingreifen und im ganzen Bundesgebiet für einen sicheren, schnellen, unbürokratischen und bedarfsgerechten Zugang zu Schutz und qualifizierter Hilfe sorgen.
Weitere Informationen:
Zum Lagebericht der Bundesregierung gab es am 10.12.2012 eine öffentliche Anhörung im Familienausschuss des Deutschen Bundestages, zu der auch drei Vertreterinnen Autonomer Frauenhäuser als Expertinnen geladen waren.